Kurt-Ulrich Mayer

Medienfreiheit im vereinten Deutschland
 
 
Nach dem nationalsozialistischen Ungeist mußten die Deutschen zwischen Elbe und Oder weitere 40 Jahre unter einer sozialistischen Diktatur leiden, die die Menschenrechte mit Füßen trat. Presse- und Rundfunkfreiheit fanden nicht statt. Stattdessen wurde die ganze Bevölkerung durch Sicherheitsdienste überwacht und die öffentliche Meinung durch eine Einheitspartei und Meinungsmonopole gleichgeschaltet. Mitleser bei der Post und Mithörer am Telefon, das war der Alltag in der aus der Weltgeschichte verabschiedeten DDR. Niemand konnte frei seine Meinung äußern, ohne Gefahr zu laufen, in Haftanstalten der DDR zu verschwinden. Nur wenige, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen, hatten noch das "Glück", unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts aus der DDR ausgebürgert zu werden.

Daß die DDR am 18. März 1990 die Einheit gewählt hat und wenige Monate danach aus der Weltgeschichte verabschiedet wurde, hat sicherlich zahlreiche Ursachen. Neben vielen anderen Menschen der ehemaligen DDR waren es insbesondere die Bürger der "Heldenstadt Leipzig", wie sie damals etwas pathetisch genannt wurde, die mit Rufen, wie "Wir sind das Volk", "Wir sind ein Volk" und "Nie wieder Sozialismus" unter Inkaufnahme von Gefahren für ihr Leben und ihre Gesundheit zu Hunderttausenden die ersten freien und geheimen Wahlen mit friedfertigen Mitteln erkämpft haben.

Diese Menschen sind eingetreten für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in einem geeinten Deutschland. Dies wird unvergeßlich bleiben.

Ebenso unvergeßlich wird aber auch bleiben, daß mit der Verwirklichung der staatlichen Einheit der Name eines Deutschen verbunden ist, der wie kein anderer das Plebiszit aufnahm und politisch umgesetzt hat.

Dafür Danke, Helmut Kohl, im Namen aller Leipziger !

Helmut Kohl ist der Kanzler der Wiedervereinigung, oder, wie es auch heißt, der Kanzler der deutschen Einheit. Selbst Rudolf Augstein hat im Spiegel vom 23.07.1990 mit den Worten gratuliert: "Den Staatsmann Kohl wird man nicht mehr von der Landkarte tilgen können." Dem ist so, und das wird immer bleiben.

Der Wiederaufbau Mitteldeutschlands, das von den Sozialisten in fast allen Lebensbereichen zerstört war, kostet weit mehr Kraft und Zeit, als man 1990 einschätzen konnte. Gleichwohl war das Wort von den "blühenden Landschaften" keineswegs deplatziert oder voreilig. Es ist ein Programmsatz und ein Auftrag, blühende Landschaften in Deutschland herzustellen, so wie es in unserer Nationalhymne heißt: "Blühe deutsches Vaterland".

Im Medienbereich haben wir bereits heute im wieder hinzugewonnenen Teil unseres Vaterlandes eine blühende Landschaft. Dies gilt nicht nur für die rechtliche Ordnung unserer Kommunikationsgesellschaft, sondern auch für die Art und Vielfalt des Angebots.

Die Freiheit eines jeden Bürgers, seine Meinung in Rede, Schrift und Bild frei äußern zu dürfen, wird durch Artikel 5 unserer Verfassung geschützt und ist zur Selbstverständlichkeit geworden.

Jeder kann grundsätzlich sagen, was er denkt. Eine Begründung braucht er für seine Meinung nicht abzugeben. Jedermann kann daher auch frei äußern, der Jubilar sei politisch abgenutzt, oder Gerhard Schröder sei ein Kanzler der leeren Sprüche.

Dem Staat und der öffentlichen Gewalt ist es verwehrt, solche Meinungsäußerungen zu verbieten oder zu sanktionieren. Jeder einzelne hat heute das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Das war in der Zeit des Nationalsozialismus und in der ehemaligen DDR nicht möglich. Diesen beiden Diktaturen war gemeinsam, daß der freie Zugang zu Informationen sowohl im Print- als auch im Rundfunkbereich verboten war bzw. erheblich behindert worden ist.

In der Nazizeit wurde durch die Einführung von Hörfunkempfangsgeräten mit einer beschränkten Frequenzskala, den sog. Volksempfängern, verhindert, daß die Deutschen ausländische, vor allem nicht völkische Sender, hören. Denn Rundfunkwellen kennen keine staatlichen Grenzen.

In der DDR war es zeitweise mit Strafandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung den Bürgern verboten, westliche Sender zu empfangen. Daneben gab es Ende der 60er Jahre gerade aus heutiger Sicht lächerlich anmutende Nacht- und Nebelaktionen, wo in Leipzig alle Fernsehantennen, die auf Westempfang ausgerichtet waren, einfach abgebrochen wurden.

Daher schützt die Informationsfreiheit auch die Empfangstechnik, d. h. die Verwendung von Übertragungs- und Empfangsvorrichtungen als Voraussetzungen dafür, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen auch tatsächlich informieren zu können.

Die für Jedermann geltende Informationsfreiheit steht selbstverständlich auch der Presse und dem Rundfunk selbst zu. Deren Aufgabe ist u. a., Nachrichten zu beschaffen und diese zu verbreiten, sowie zum Zeitgeschehen Stellung zu nehmen und dieses auch durchaus kritisch zu begleiten. Diese Informations- und Kontrollaufgabe können Rundfunk und Presse jedoch nur erfüllen, wenn sie nicht, wie Jedermann, auf die allgemein zugänglichen Informationsquellen beschränkt bleiben, sondern einen erweiterten Informationsanspruch, wie etwa den Auskunftsanspruch gegenüber Behörden, besitzen.

Auch dies gewährleistet die Medienfreiheit im vereinten Deutschland und ermöglicht damit den Medien, Öffentlichkeit im Sinne von Allgemeinzugänglichkeit herzustellen, damit der für eine Demokratie so wesentliche freie Meinungsmarkt in Gang kommt. Die so beschriebene öffentliche Aufgabe der Medien ist wertfrei zu verstehen.

Das Grundgesetz verbietet ohnehin eine Zensur. Es kommt somit nicht darauf an, welchen Zweck der Verleger mit der von ihm herausgegebenen Zeitung verfolgt. Es ist völlig gleichgültig, ob es sich um Veröffentlichungen handelt, in denen objektiv über ein Tatsachengeschehen berichtet wird, oder um solche, die möglicherweise politisch nur verblenden oder verführen wollen. Daher nehmen auch die Nationalzeitung oder das Neue Deutschland an der Meinungsbildung teil.

Die mit der Wiedervereinigung einhergehende freiheitliche Kommunikationsordnung hat in den neuen Bundesländern gerade im Rundfunkbereich in kürzester Zeit eine "blühende Landschaft" entstehen lassen. Alleine in Sachsen werden über 100 verschiedene lokale Fernsehprogramme von den Bürgern des Freistaates veranstaltet und in Kabelanlagen verbreitet. Zum Vergleich: In den alten Bundesländern hat nur Bayern etwas mehr als 20 lokale Fernsehprogramme aufzuweisen.

Diese Besonderheit hat kurioserweise ihre Wurzeln auch in der ehemaligen DDR. In dieser entwickelten sich vorwiegend in Plattenbaugebieten, aber auch anderswo, sog. "Antennengemeinschaften", die in Feierabendarbeit Kabel verlegten, um eine Vernetzung herzustellen und den technischen Anschluß finanzierten, um das DDR-Fernsehen und natürlich auch "ARD, ZDF und die dritten Programme" in höherer Qualität empfangen zu können. Der Staat hat dies nicht gewollt und hätte es zudem niemals finanzieren können.

Mit der Wiedervereinigung und der damit korrespondierenden Einrichtung einer freiheitlichen Kommunikationsordnung begann man in diesen Kabelanlagen, lokales und regionales Fernsehen zu veranstalten.

Damit entstand eine einzigartige und vielfältige Medienlandschaft, die den Bürgern eine beispielhafte, heimatverbundene Medienkommunikation ermöglicht.

Sie stellt auch eine Ergänzung zum Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zu den sonstigen welt-, europa- und bundesweiten privaten Angeboten dar.

Lokalrundfunk verbindet den Bürger mit seinen Wurzeln, d. h. seiner Heimat. Er kommt selbst zu Wort und sieht sich und die Bilder seiner Umgebung. Die Programme entstehen im Dialog mit den Zuschauern und werden auch als solche verstanden. Heimat steht im Mittelpunkt der Berichterstattung, und die Bewohner der Region sind Schauspieler und Zuschauer zugleich.

Diese einzigartige Vielfalt spiegelt die Vielfalt der Regionen in unserem Vaterland wieder und ist Bestandteil unserer gemeinsamen kulturellen Vielfalt. Diese Vielfalt steht weder der Einheit der Deutschen, noch der Herstellung eines vereinten Europas entgegen, denn alle, die in der Vergangenheit für die Einheit Deutschlands oder die Einheit Europas eingetreten sind und eintreten, von Luther über Lessing bis Ernst Moritz Arndt, von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, haben in ihrem Kampf um die deutsche Einheit bzw. in ihrem Eintreten für ein vereinigtes Europa immer auch dafür gekämpft, daß die Vielfalt erhalten bleibt.

Dieses Verständnis von Medienfreiheit ist kulturelles Erbe und Auftrag zugleich. Es ist als Vermächtnis eines großen deutschen Politikers zu bewahren.
 
 
 
 

Kurt Ulrich Mayer ist Rechtsanwalt in Leipzig. Er war Landesvorsitzender des Landesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen, ist Präsident der Sächsischen Landesanstalt für Privaten Rundfunk und Neue Medien und Ehrenvorsitzender der Leipziger CDU.