Ansbert Maciejewski

Der redliche Wille zur notwendigen Tat


Seit dem Beginn der großserbisch-kommunistischen Aggression rollten regelmäßig Hilfstransporte aus Sachsen in die Kriegsgebiete und Flüchtlingslager der unabhängigen kroatischen Republik. Pfingsten 1993 konnten wir einem Waisenhaus und einem Flüchtlingslager bei Split dringend benötigte Kleidung und Hygieneartikel bringen. Dankbarkeit und Gastfreundschaft durften wir erfahren. Trotz kriegsbedingter Inflation. Trotz Stromsperre. Trotz Ungewißheit, ob morgen serbische Tschetniks über die Berge zur Küste vordringen. "Nehmt unseren Dank an Deutschland mit nach Hause" wurde uns mitgegeben und "Wir wissen, daß die Deutschen unsere Freunde sind".

Wenige Kilometer westlich von Split liegt die über 2000 Jahre alte Stadt Trogir. Die Altstadt auf einer Insel, eng bebaut mit Kirchen, Palästen und Bürgerhäusern – romanische und gotische Fenster – lichte Höfe und enge Gassen – Torbögen und Treppen – kleine Läden, Straßencafés und Restaurants in großer Zahl. Trogir – der "Kairos", Museen, Kultur aus Antike und Mittelalter - eine Schatzkammer der Kunst. Direkt am Hafen beginnt die "Ulica Kohl-Genscher".

Kohl-Genscher-Gasse?

Unsere kroatischen Freunde dreschen keine Phrasen. "Nehmt unseren Dank an Deutschland mit nach Hause" war mehr als eine Höflichkeitsfloskel. "Ohne Deutschland hätten wir es nicht geschafft" wurde uns immer wieder gesagt und "Kanzler Kohl ist ein Freund unseres Volkes". Man spürt es: eine Straße nach dem deutschen Kanzler zu benennen war eine Selbstverständlichkeit.

Tiefe Dankbarkeit.

Beschämend.

Beschämend, wenn man betrachtet, was die Deutschen Helmut Kohl verdanken. Und wie in Deutschland mit ihm umgegangen wird. Auch und besonders in der Christlich-Demokratischen Union.

Dankbarkeit ist peinlich geworden in Deutschland. Man ist besser kritisch. Das ist modern. Zeitgemäß sozusagen. Zumindest ist man immer vorn. Und "vorn sein" ist wichtig. Besonders in Deutschland. Dankbarkeit ist nicht angesagt. Wir machen alles selbst, wir brauchen niemanden und lassen uns nicht reinreden. Und wenn wir etwas wir nicht selbst können, haben wir einen "Rechtsanspruch". Meistens an "die Gesellschaft" oder konkret "an den Staat".

Wo wäre die CDU ohne Helmut Kohl? Und wie wäre sie? Besonders in Mitteldeutschland. Es glaubt doch niemand im Ernst, daß die Freiheitswahl am 18.März ein Votum für Blockparteifunktionäre von Göttings Gnaden war? Die CDU ist erneuert. In Sachsen hat die Union fast zwei Drittel neue Mitglieder. Wer in der Wendezeit in die CDU eintrat, wollte in die Partei Helmut Kohls! Ein Parteifreund trat anläßlich einer West-Reise in Baden-Württemberg in die CDU ein. Hier war das rein formal noch nicht möglich. In Leipzig wurden noch im April 1990 die blauen Mitgliedsbücher der Blockpartei ausgegeben. Die eingedruckte Präambel aus dem Statut war überklebt. "Die CDU ist eine Partei des Friedens und des Sozialismus" konnte man darunter lesen.

NEIN! Sie war es nicht mehr! Dank Helmut Kohl! Trotz panischer Versuche einiger Funktionäre, weiter "im Geschäft" zu bleiben.

Im Aufruf des Hauptvorstandes der Ost-CDU zur Gründung einer CDJ, einer Christlich-demokratischen Jugend vom November 1989 konnte man noch lesen: "wir wollen einen demokratischen Sozialismus".

NEIN! Den wollten wir nicht! Wir wollten eine Alternative zur FDJ. Eine christdemokratische und konservative Alternative. "Demokratischer Sozialismus" war keine Alternative sondern eine Zumutung!

Wir wollten auch keine CDJ. Wir wollten die JUNGE UNION. Wir wollten die JU, die es nach dem Krieg in Leipzig und Sachsen schon einmal gab. Wir wollten die JU wiederbeleben, die Ihre Arbeit unter dem Druck der Sowjets und SED-Kommunisten einstellen mußte. Wir wollten nicht in einen Ost-CDJ-Verband, sondern in den Bundesverband der JUNGEN UNION DEUTSCHLANDS. Viele haben wir damit überfordert - bis hin zum damaligen JU-Bundesvorsitzenden. Wie auch immer. Die Entwicklung hat alle Bedenkenträger überrollt.

Das Ende des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa war eine entscheidende Voraussetzung für die Einigung Deutschlands. Viele haben dazu beigetragen: die Streikenden in Polen im Jahr 1981, der aus Polen stammende Papst Johannes Paul II., Michail Gorbatschow mit Glasnost und Perestrojka, Ungarn mit seiner mutigen Entscheidung, beim Picknick der Paneuropa-Union den eisernen Vorhang zu durchtrennen, die Flüchtlinge in der Prager Botschaft, die Montagsdemonstranten in Leipzig.

"Gott schütze unser deutsches Vaterland" stand am Ende zahlreicher Wahlkampfreden Helmut Kohls im Jahr 1990. War die Einheit ein Geschenk Gottes? Haben wir Sie uns selbst verdient oder ist sie Helmut Kohls Verdienst? "Gott hilft, wo der Mensch nur redlichen Willen zur notwendigen Tat mitbringt" formulierte Adolph Kolping vor 150 Jahren.

Helmut Kohl hat diesen redlichen Willen mitgebracht und das Notwendige getan. Er ist der Kanzler der Einheit. Kohl hat eine Chance erkannt und richtig gehandelt. Er hat sich Dankbarkeit verdient, auch und besonders in Deutschland!

Helmut Kohl ist einer der größten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts – allen Kritikern zum Trotz. Auf die kann er getrost herunterblicken. Insbesondere auf diejenigen, die noch 1990 die DDR-Staatsbürgerschaft anerkennen und Aufnahmelager für DDR-Flüchtlinge schließen wollten, deren Gedächtnisschwund aber heute soweit reicht, daß sie behaupten, sie hätten die Deutsche Einheit ebenso oder gar besser herbeiführen wollen und gestalten können.

Das deutsche Volk wollte die Einheit. Die Menschen wollten nicht das, was sich selbsternannte Moralapostel der Nation, Toskanasozialisten und andere erdacht hatten.

Was Helmut Kohl für uns getan hat, bleibt sichtbar und erlebbar. Seine Kritiker wird man vergessen. Die Alt-68er Intellektuellen mußten zur Kenntnis nehmen, daß die Welt nicht so ist, wie sie mit ihren in neomarxistischem Soziologendeutsch verfaßten Aufsätzen glauben machen wollten. Gott sei Dank!
 
 
  

Ansbert Maciejewski war Kreisvorsitzender der Jungen Union Leipzig und ist Geschäftsführer und Mitglied der CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat.